Einleitung:
In der Welt des Musik-Streamings, die lange Zeit von Spotify dominiert wurde, hat sich Tidal als ein Dienst mit einer klaren Mission positioniert: Klangqualität und faire Bezahlung für Künstler. 2014 von dem schwedischen Unternehmen Aspiro gegründet und später von Rap-Mogul Jay-Z gekauft, sollte Tidal eine Alternative zu den etablierten Playern bieten. Doch der Weg war von Beginn an steinig. Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte von Tidal, seine Ambitionen und die Kontroversen, die den Dienst von der Konkurrenz abheben – und ihn gleichzeitig in eine schwierige Position bringen.
Die Anfänge: Ein Dienst von Künstlern für Künstler
Als Jay-Z Tidal im März 2015 erwarb, tat er dies mit großem Tamtam. Bei einer aufsehenerregenden Pressekonferenz stellten Superstars wie Madonna, Kanye West und Rihanna den Dienst als „Revolution“ vor, die den Künstlern die Kontrolle zurückgeben und ihnen eine gerechtere Vergütung sichern sollte. Das Versprechen war klar: Tidal sollte nicht nur Musik streamen, sondern eine Bewegung sein, die die Musikindustrie von innen heraus verändert.
Der Fokus lag von Anfang an auf zwei Hauptaspekten:
- Klangqualität: Tidal bot als einer der ersten Dienste verlustfreie Audioqualität in CD-Qualität (HiFi) und später auch hochauflösende Musik in „Master“-Qualität an.
- Künstlervergütung: Tidal versprach, Künstler deutlich besser zu bezahlen als die Konkurrenz. Während Spotify und Co. im Bruchteil eines Cents pro Stream auszahlten, sollte Tidal mit einem höheren Preismodell und einer anderen Auszahlungslogik ein faireres System etablieren.
Die Kritik: Vom Hype zur Realität
Trotz des Star-Aufgebots und der ambitionierten Ziele sah sich Tidal von Anfang an mit erheblicher Kritik konfrontiert.
1. Die Exklusivität: Ein zweischneidiges Schwert
Um Abonnenten zu gewinnen, setzte Tidal auf exklusive Veröffentlichungen von seinen prominenten Miteigentümern. Alben wie Kanye Wests „The Life of Pablo“ oder Rihannas „Anti“ waren zunächst nur auf Tidal verfügbar. Diese Strategie sorgte zwar für kurzfristigen Hype und massive Anstiege der Download-Zahlen in den App-Stores, stieß aber bei Nutzern und der Musikpresse auf Ablehnung. Viele empfanden die Exklusivität als künstliche Abgrenzung und unfaire Wettbewerbsstrategie. Die Exklusiv-Strategie wurde später stark reduziert.
2. Der Preis: Ein Hindernis für den Massenmarkt
Mit einem Abonnementpreis von bis zu 20 Dollar (später Euro) für die höchste Audioqualität, war Tidal deutlich teurer als die Konkurrenz. Obwohl die Macher argumentierten, dass die höhere Qualität und die bessere Künstlerbezahlung diesen Preis rechtfertigten, schreckte es viele potenzielle Kunden ab, die den Mehrwert für sich nicht sahen. Dies führte dazu, dass Tidal, verglichen mit Spotify oder Apple Music, eine deutlich kleinere Nutzerbasis hat.
3. Der Betrugsskandal: Glaubwürdigkeitsverlust
Im Jahr 2018 wurde Tidal von der norwegischen Zeitung Dagens Næringsliv beschuldigt, Stream-Zahlen manipuliert zu haben. Der Bericht, der auf internen Daten basierte, behauptete, dass Millionen von Streams für die Alben „The Life of Pablo“ und „Lemonade“ von Beyoncé gefälscht wurden. Diese angeblichen falschen Streams hätten zu überhöhten Lizenzgebühren für die Künstler geführt. Obwohl Tidal die Vorwürfe vehement abstritt, beschädigte der Skandal das Image des Dienstes nachhaltig und untergrub das zentrale Versprechen der Fairness.
4. Umstrittene Bezahlung: Das Versprechen ist kompliziert
Das Versprechen einer fairen Künstlervergütung ist der größte USP von Tidal, aber auch hier gibt es Kritik. Während der Dienst generell mehr pro Stream auszahlt als Spotify (im Durchschnitt 0,013 Dollar gegenüber 0,003 bis 0,005 Dollar bei Spotify), gab es auch hier Unebenheiten. Tidal führte das sogenannte „Fan-Powered Royalty“-Modell ein, bei dem ein Teil der Abonnement-Gebühren direkt an den Künstler geht, den man am meisten hört. Dieses Modell, das für Künstler eine bis zu 500-prozentige Steigerung der Einnahmen versprach, wurde jedoch nicht für alle Künstler umgesetzt und sorgte für Verwirrung. Zudem stellte Tidal im Frühjahr 2023 die Direktzahlungen an Top-Künstler ein und will stattdessen Nachwuchskünstler fördern, was wiederum für Diskussionen sorgte.
Die Zukunft: Vom Nischen- zum Mainstream-Dienst?
In den letzten Jahren hat Tidal versucht, sich von seinem umstrittenen Image zu lösen. 2021 wurde das Unternehmen von Jack Dorseys Finanzdienstleister Block (ehemals Square) gekauft, was für eine finanzielle Neuausrichtung sorgte. Tidal hat seine Preisstruktur vereinfacht, MQA als Audioformat zugunsten von offenem HiRes-FLAC aufgegeben und neue Funktionen wie Dolby Atmos integriert.
Tidal hat sich als Nischen-Dienst für Audiophile etabliert und versucht, mit einem Fokus auf curated Content und hochauflösendem Sound zu punkten. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Ansatz ausreicht, um im Schatten von Giganten wie Spotify und Apple Music zu bestehen, oder ob Tidal auf Dauer ein spezialisierter Player bleiben wird, der eine kleine, aber loyale Fangemeinde bedient, die bereit ist, für Qualität und künstlerische Fairness zu zahlen.